Autoritäre Strukturen auf Youtube: Die Vulgäre Analyse

Die Vulgäre Analyse

Abos: Kanal momentan gesperrt, daher wird sich auf Reuploads berufen (31.01.2018)

Die „Vulgäre Analyse“ ist ein israelsolidarischer Youtuber der einem schwierig zu klassifizierenden Spektrum rechts von Henryk M. Broder¹ zuzuordnen ist. Er hat einen recht fragwürdigen Humor, seine virtuelles Alter Ego ist eine antisemitische Karikatur und in seinen Videos verbrennt er regelmäßig den Koran [z.B. hier²]. Ob es sich hierbei um eine hochintellektuelle dialektische Kunstform handelt, oder um eine stumpfe Provokation überlasse ich mal den Leser_innen dieses Blogs.

Mir bekannt wurde er durch ein Video, in welchem er behauptet, den „Kulturellen Marxismus“ zu „erläutern“. Dabei geht es ihm nicht etwa, wie es sich erwarten ließe, um die kritische Theorie in der Dialektik der Aufklärung³ und um die darin enthaltene Kritik an der Kulturindustrie⁴, die auf weitergedachten marxistischen Analysen beruht, sondern um einen von ihm wahrscheinlich aus fehlenden Wissen von politischer Theorie völlig aus dem Kontext gerissene Ideologiefragmente. Er behauptet, „kultureller Marxismus“ sei der marxistische Klassenbegriff angewendet auf auf Hautfarbe, Geschlecht, Ethnie und andere Eigenschaften. Er behauptet, der Klassenkampf würde in diesem Konzept nicht mehr als ökonomische Umverteilung funktionieren, sondern u.a. um den Kampf „schwarz gegen weiß“, wobei die „Weißen“ immer priviligiert sein sollen und die „Schwarzen“ daher generell einen Klassenkampf gegen die „Weißen“ führen [2:30-5:30].⁵Dies ist völliger nonsens und würde die gesamte Theorie von Karl Marx ad absurdum führen, die sich ja gerade von Unterscheidungen zwischen Ethnie/Nationalität abhebt und in strukturell ökonomische Klassen einordnet.⁶ Er mischt hier willkürlich das in politischen Konzepten des Poststrukturalismus verordnete Prinzip der „Privilegien“ und der „Critical Whiteness“⁷ mit dem marxistischen Begriff der Klasse und führt sie ad absurdum. Dies ist insofern besonders amüsant, da zwischen Materialist_innen und Poststrukturalist_innen oftmals starke Streitigkeiten herrschen. Besonders Marxist_innen und kritische Theoretiker_innen werfen Poststrukturalist_innen vor, die strukturelle, materiell-ökonomische Kategorie nicht mit einzubeziehen^{8 9}, wie andersherum wiederum eine Kritik an nicht Beachtung diskursiver Machtbeziehungen vorgeworfen wird. „Die Vulgäre Analyse“ mischt hier zwei politische Weltansichten, die sich in großen Teilen widersprechen. Einen Nachweis für eine nennenswerte politische Strömung, die tatsächlich von dem „schwarzen Klassenkampf gegen die weißen“ oder ähnlichem spricht, bleibt er schuldig. Es scheint eher so, als würde ein in politischer Theorie ungebildeter Youtuber seinen nicht auf Rationalität beruhenden Antimarxismus irgendwie begründen wollen. Doch woher kommt diese eigenartige These des „Kulturmarxismus“? Der Politikwissenschaftler Richard Genhardt liefert darauf eine aufschlussreiche Antwort:

„»Kulturmarxismus« ist ein verschwörungsideologisches Konstrukt, das von der extremen Rechten in den USA geprägt und in Europa durch das »Manifest« des norwegischen Attentäters Anders Breivik bekannt wurde. In der US-amerikanischen Alt-Right gehören Angriffe auf den »Kulturmarxismus« zum Standardrepertoire, gilt dieser doch als Ursache für linken »Tugendterror«. Auch Breivik galten die 2010 von ihm ermordeten jungen Sozialisten als Agenten des Multikulturalismus und der politischen Korrektheit, gegen die sich die Feinde des »Kulturmarxismus« richten müssten.“¹⁰

Aufgeschnappt hat dieses verschwörungsideologische Konzept „Die vulgäre Analyse“ also bei der extremen Rechten der USA oder einem neonazistischen Amokläufer. Wie bei vielen Youtube Rechten sind „Shlomos“ Hauptangriffspunkte der Islam, Muslime selbst und Feminismus sowie Feminist_innen. Eines seiner Videos beginnt mit einem Intro, auf dem „FCK Islam“ und anschließend „FCK Muslime“ zu lesen ist¹¹ [00:00-20]. Das es sich nicht um eine Religionskritik handelt, anstatt nur den Islam zu kritisieren, alle Muslime zu beleidigen, sollte selbsterklärend sein. In praktisch jedem Video beleidigt er alle möglichen Personen und stellt in „Juliensblog“ Manier diese autoritären Sehnsüchte als Entertainment da, daher sollte nicht davon auszugehen sein, mit „Shlomo“ einen konstruktiven Dialog zu führen. Der Aufstieg rechtskonservativer bis zu rechtsextremen Bewegungen ist laut „Shlomo“ nicht die Schuld von wirtschaftlichen Krisen und seit der Sarrazin Debatte im Bürgertum öffentlich diskursive antiindividualistische und rassistische Debatten, sondern von Linken [5:00-7:00].¹² Seine Feindbilder sind demnach ähnlich wie bei „Dorian der Übermensch“ insbesondere Linke, die er abwertend „SJW“ nennt und Feminist_innen, welche auch Youtube Kanäle besitzen. Argumentativ bedient „Die Vulgäre Analyse“ meist Klischees und Emotionen, beispielsweise das Klischee der „verbitterten, einsamen Feministin“ die den unschuldigen Mann Sexismus vorwirft [3:00-5:00].¹³ Karl Lagerfelds Statement, Muslime seien die größten Feinde der Jüdinnen und Juden und man könne sie nach dem Holocaust nicht mehr nach Deutschland holen, befürwortet er [00:00-2:00].¹⁴ Das die Gewährung eines Grundrechts nichts mit individuellen Einstellungen zu tun hat und Fluchtbewegungen keine „geholte“, also beiderseitig formal freiwillig geschlossene Migration ist, wie etwa Gastarbeiter_innen, wird da schlicht mal ignoriert. Er führt den in der islamischen Welt weit verbreiteten Antisemitismus an, der hier nicht geleugnet werden soll. „Shlomo“ aber verallgemeinert den Antisemitismus auf alle Geflüchteten. Dies ist ungefähr so richtig, wie zu behaupten Flüchtlinge seien die philosemitischten Menschen der Welt. Nämlich gar nicht. Es könnte höchstens eine Tendenz angegeben werden, die aber noch immer nicht naturalisiert werden kann, wie Karl Lagerfeld es tut, wenn er von Muslimen als die größten Feinde der Juden und Jüdinnen spricht. Daraus spricht ein Menschenbild, indem Menschen von ihrer zugesprochenen Kultur ausgefüllt werden und sich nicht verändern können. In einem anderen Video behauptet „Shlomo“ Wörter könnten keine Eigenschaften haben (wie z.B. rassistisch sein). Vorher bezeichnet er eine Frau als „Fotze“. Dies ist interessant. Seine Herleitung, dass Wörter selbst nicht rassistisch sein können, ist ohne gesellschaftlichen Kontext durchaus „richtig“. Der gesellschaftliche Kontext des Begriffs „Fotze“ ist aber eine sexistische Beleidigung, meist gegenüber Frauen, die auf Grund dessen sexistisch ist, da sie unter anderem bezogen auf das weibliche Sexualorgan bestimmte Eigenschaften beschreibt, die in negativen Bezug zu Weiblichkeit assoziiert werden (z.B. Hinterlistigkeit). Da Wörter ohne gesellschaftlichen Bezug überhaupt keine Bedeutung haben, auf Grund dessen dass sie in dem gesellschaftlichen Bezug erst einen Bedeutungsinhalt erlangen, stehen sie immer in einem gesellschaftlichen Kontext. Das macht „Shlomos“ Argumentation sinnfrei, denn Wörter haben den Bedeutungszusammenhang in der Definition ihres Begriffes als Wort. Das zeigt er in einem gewissen Sinne selbst, indem er vor der Erläuterung jene Frau als „Fotze“ bezeichnet, den Zuhörer_innen im selben Sprachraum ist natürlich ohne eine Begriffserklärung bewusst, dass es hierbei um eine sexistische Beleidigung handelt, somit ist der „Witz“ den „Shlomo“ aufbaut, eine unbewusste Widerlegung seiner eigenen These¹⁵ [3:00-5:00]. Im Grunde reichen diese Beispiele, um seine ideologischen Kernelemente darzustellen. Er benutzt durchgehend eine autoritäre, obszön-absetzende Sprache gegenüber politisch Andersdenkenden, argumentiert hauptsächlich emotional und geht wie im Beispiel des „Kulturmarxismus“ von völlig an der Realität vorbei gehenden Thesen aus, die er mit klug klingenden, aber unheimlich verkürzten oder aus dem Zusammenhang gerissenen „Argumenten“ ausführt.